STICKELGRÄBER in Schlierbach
"Hier ruht in Frieden ..." Während sich in der aufs Jahr 1776 zurückgehende gemütlichen Gaststube bei Koch- und Handkäs´ "mit Musik" (eingelegte Zwiebeln) nebst Ebbelwoi die Ausflügler drängen, verschlägt es zum Kirchlein mit seinen rund 1000 Jahre alten Unsprüngen kaum einen Fremden. |
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Doch auf der Sandsteinmauer des Gottesackers finden zumindest all jene, die nicht nur den
weltlichen Freuden frönen, den Hinweis, dass sich hinter diesem eisernen Tor etwas Besonderes befindet: Grabsteinstickel, einfache weiß lackierte Holzbretter, deren einziger Schmuck ein aufgemalter
Blumentopf ist, unter dem "Hier ruht in Frieden" nebst Namen, Herkunftsort und Todesjahr geschrieben ist. Der ehemalige Pfarrer Roland Pappe, erinnert sich an seine Jugend, als er eine Reportage in
einer Illustrierten gelesen hat, die sich mit einem Friedhof im deutschsprachigen Ungarn befasste. Auf dem befanden sich breite Holzbretter statt der üblichen Grabsteine, die schmuck ausgemalt waren
und auf denen der Lebenslauf der Verstorbenen in Balladenform vermerkt war. |
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Brüder Bitsch die Ersten Es war die Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618 bis 1648) als in dem auch durch die Pest
fast völlig ausgestorbenen Dörfern der damaligen Kurpfalz viele Schweizer Einwanderer eine neue Heimat fanden. Es waren reformierte, calvinistische Christen, die die Einladung des Pfalzgrafen
annahmen und sich in den Odenwaldtälern niederließen. Zwei Brüder Bitsch waren offensichtlich die ersten, die in eine Gegend kamen, in der sie viele brachliegende Höfe vorfanden. Matthias Bitsch, aus
der Gegen von Chur stammend, ließ sich 1662 in Breitenwiesen nieder, sein Bruder Christian in Raidelbach. Zusammen hatten die beiden Familien mehr als 20 Kinder, von denen nur wenige im frühen
Kindheitsalter starben. Keine reichen Leute Und da die Calvinisten das Kreuz nicht als Zeichen des Glaubens hervorheben, haben die Grabstätten einfache Stickel geziert. "Die Leute in unseren Tälern warn nicht reich, so ist es vermutlich auch ein Zeichen von Armut gewesen, dass diese verzierten Holzlatten als Grabschmuck dienten", weiß der Seelsorger. Der zudem daran erinnert, "dass die Toten einst auf Brettern aufgebahrt wurden, das danach mehr oder weniger kunstvoll bearbeitet und bemalt wurde."
"Früher hat man erkennen können, von welchem Schreiner die Stickel stammen. Jeder hatte seine
Handschrift", erinnert sich der Pfarrer. Heute ist nur mehr Meister Friedrich Hartmann übrig geblieben, der das "Schlierbacher Totenbrett" fertigt und auch mit einem Blumentopf bemalt, der drei
Blüten enthält, die die Dreieinigkeit symbolisieren. Die Luftwurzeln, die aus ihm herausquellen, stehen für das ewige Leben. Findet heute auf dem Kirchhof von Schlierbach eine Beerdigung statt, dann steht am frisch
ausgehobenen Grab ein solch geschnitztes Brett. Dass das dann auch bleibt und nicht gegen einen Stein ersetzt wird, kann der Dorfseelsorger nur hoffen. Der aber erfreut zur Kenntnis nimmt, dass immer
mehr seiner "Schafe" verfügen, nach altem Brauchtum ihre letzte Ruhe zu finden. Artikel aus der Pforzheimer Zeitung, geschrieben von Thomas Frei |